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Georgien 2019

Georgien liegt am östlichen Ufer des Schwarzen Meeres etwa an der geografischen Grenze zwischen Europa und Asien. Es ist vor allem geprägt von sich auf über 5.000 m erhebenden Gebirgszügen, wie dem Großen und Kleinen Kaukasus, jedoch auch von Flussniederungen und im östlichen Landesteil von Steppen und Hochsteppen. Wirtschaftlich ist Georgien noch Entwicklungsland, die Einwohner sind vergleichsweise arm und leben teilweise als Selbstversorger. Daher sind verschiedenste Weidetiere wie Rinder, Schweine, Ziegen oder Truthähne allgegenwärtig - im Prinzip wird fast die gesamte Landesfläche beweidet. Die Straßen sind allgemein in einem schlechten Zustand, sodass man mit dem Auto nur langsam vorankommt; auch die zahlreichen Bauruinen und unfertigen Gebäude zeugen vom Entwicklungsstand des Landes, aber auch von den Bemühungen um den wirtschaftlichen Aufschwung.

Im Herbst 2019 ergab sich für uns die Gelegenheit den äußersten Westteil des Landes an der Küste des Schwarzen Meeres bei Batumi mit den sich im Hinterland erhebenden Bergen, die Teil des Kleinen Kaukasus sind, zu erkunden. Nördlich von Batumi befindet sich der Nationalpark Mtirala und südlich der Küstenstadt die weite Flussniederung des Tschorochi sowie das tief eingeschnittene Charnali-Tal, denen wir besondere Aufmerksamkeit widmeten. Beeindruckend ist in dieser Region die sehr üppige, grüne, fast tropisch anmutende Vegetation, die von den zahlreichen Gebirgsbächen mit dem nötigen Wasser versorgt wird. Mit Jahresniederschlägen von über 4.000 mm fällt hier sehr viel Regen, was wir am Ende unseres Aufenthaltes auch zu spüren bekamen. Ein wichtiges Ziel unserer Reise war es, die traumhaft gefärbte Kaukasus-Otter (Vipera kaznakovi) zu finden, die im Hinterland von Batumi vorkommen soll.

1. Tag - Nächtliche Anreise in eine andere Welt

Wir flogen am 26.10.2019 von Memmingen aus nach Kutaissi. Da unser Flug erst abends um 20.30 Uhr startete und in Georgien eine Zeitverschiebung von drei Stunden herrschte, landeten wir nach dreieinhalb Stunden Flug mitten in der Nacht in Kutaissi. Der etwas unausgeschlafene Mitarbeiter unserer Autovermietung war trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit für uns da und so konnten wir unser Allradfahrzeug - ein Toyota RAV 4, der uns auch in unwegsamem Gelände gute Dienste leisten sollte - gleich mit zum Hotel nehmen, das wir in der Nähe des Flughafens für die erste Nacht reserviert hatten. Von außen machte das Hotel nicht den Eindruck, als ob es geöffnet sei, geschweige denn, als dass man darin übernachten könne, denn der weitaus größere Teil war einem Casino bzw. einer Spielhölle gewidmet. Im Innenraum angekommen, wurden wir jedoch überaus freundlich empfangen und konnten uns weder über Komfort noch über das reichhaltige Frühstück am nächsten Morgen, unter genauer Beobachtung einiger Hunde und Katzen, beschweren.

Nach dem Frühstück machten wir uns auf den von allerlei Weidetieren und Verkaufsständen gesäumten Weg nach Makhinjauri, einem Vorort von Batumi, in dem unsere Unterkunft liegen sollte, nicht ohne einen kurzen Zwischenstopp am Rioni, dem drittlängsten Fluss Georgiens zu machen. Hier fanden wir schnell unsere erste Schlange, eine Würfelnatter (Natrix tessellata), die unter die Steine einer verfallenen Mauer flüchtete. Zu diesem Zeitpunkt sollten wir noch nicht ahnen, dass Funde von Schlangen eine Rarität auf unserer Reise darstellen sollten...

In Makhinjauri angekommen, wurden wir von unserer freundlichen Gastgeberin samt ihrem Gefolge, bestehend aus fünf, weit über 70-jährigen Omis, und vor allem von ihrem Deutschen Schäferhund "Rocky" lautstark begrüßt. Erste Verständigungsprobleme - wir konnten kein Russisch und die Georgierinnen kein Englisch - waren mit Händen und Füßen schnell ausgeräumt und wir konnten unsere sehr geräumige und modern ausgestattete Behausung beziehen. Aus Baubrachen innerhalb des Ortes begrüßten uns vereinzelte Herbstrufe des Laubfroschs (Hyla arborea), was unsere Vorfreude natürlich steigerte. Am Nachmittag machten wir noch einen ersten kurzen Ausflug ins Hinterland, wo es Nachweise der Kaukasus-Otter geben sollte. Mit Ausnahme einer sich unter einem Stein versteckenden, nicht näher bestimmten Fels-Eidechse der Gattung Darevskia und einer attraktiven, gelb gefärbten Radnetzspinne konnten wir jedoch nichts entdecken, was unsere Aufmerksamkeit aus sich zog, schon gar keine Kaukasus-Otter. So machten wir uns an die Ernte der im reifen Zustand sehr leckeren Kakis, die hier überall an den Kaki-Bäumen zu finden waren. Neben den Kakis bauten die Georgier im Hinterland Batumis vor allem Zitrusfrüchte, Wein und Tee an, wobei es auch nicht an brach liegenden oder aufgegebenen Plantagen mangelte. Leider verschlechterte sich das Wetter, es begann zu nieseln und wir mussten feststellen, dass die Tage in Georgien sehr kurz waren, da die Sonne bereits gegen 18 Uhr unterging (mitteleuropäische Zeit 15 Uhr). Am Abend genossen wir die reichhaltige und abwechslungsreiche, stark von Koriander geprägte, georgische Küche in einem Restaurant in Makhinjauri. Bei der Rückkehr zu unserer Unterkunft überraschte uns an der Hauswand noch ein Europäischer Skorpion (Euscorpius spec.), der im Licht der Straßenlaterne auf Beute lauerte. Mit diesem letzten Eindruck unseres ersten Tages freuten wir uns aus auf den kommenden Morgen, der uns in den Mtirala-Nationalpark führen sollte...

 

Das Ufer des Rioni, auf der gegenüberliegenden Seite befinden sich ausgedehnte Schlammflächen, die etwa für Limikolen interessant sind.

 

An dieser Mauer, den verfallenen Resten eines ehemaligen Gebäudes, fanden wir unsere erste Schlange, eine Würfelnatter (Natrix tessellata); im Hintergrund fließt der Rioni.

 

 

Ausgewachsene Würfelnatter am Ufer des Rioni.

 

Eine typische Situation in Georgien - die hier neu ausgebaute Straße wird von Rindern blockiert, die allgegenwärtig sind und selbst die Straßenränder abweiden.

 

Der Deutsche Schäferhund "Rocky" war der Bewacher unserer Unterkunft und bewies mit einem an Vogelgezwitscher erinnernden Heulen, dass er immer sehr erfreut war, uns zu sehen.

 

Blick von unserer Unterkunft auf den Vorort Makhinjauri und des Schwarze Meer; neben frei stehenden Häusern und Baubrachen prägen auch Plattenbauten und neu entstehende Hotelkomplexe das Landschaftsbild.

 

Ausblick aus dem hügeligen und sehr grünen Hinterland Makhinjauris mit üppigen Wäldern, Kulturland und Brachen auf das Schwarze Meer und die Küstenstadt Batumi im Hintergrund.

 

Attraktive Radnetzspinnen-Art im Hinterland von Makhinjauri.

 

Europäischer Skorpion (Euscorpius spec.) an der Wand unseres Hauses bei unserer nächtlichen Rückkehr vom Abendessen.

 

2. Tag - Die Grüne Hölle und nichts als Eidechsen

Bereits früh am Morgen machten wir uns auf den Weg zum etwa eine halbe Stunde nordöstlich gelegenen Nationalpark Mtirala, um direkt beim Einfallen der ersten Sonnenstrahlen vor Ort zu sein. Um zum Nationalpark zu kommen, muss man zuerst eine von zahlreichen Schlaglöchern und Kühen geprägte Kurvenstraße überwinden, die sich über mehrere Kilometer entlang des Flusses Chakvistskali die Berge hinauf schlängelt. Der Nationalpark beeindruckte uns mit seinem üppigen Grün, den weitläufigen tropisch anmutenden Wäldern, den zahlreichen kristallklaren Bergbächen und den mageren, von Rindern beweideten sowie von Säumen geprägten Offenflächen, die uns als Lebensraum der Kaukasus-Otter sehr geeignet schienen. Die Suche gestaltete sich allerdings schwierig, da zum einen die Sonne erst spät in das tief eingeschnittene Tal fiel und zum anderen zahlreiche eingezäunte Privatgrundstücke uns den Zugang verhinderten. Bereits nach kurzer Zeit hatten wir zwei Wachhunde als ständige Begleiter an unserer Seite, die uns zwar vor den recht harmlosen Rindern beschützen wollten, jedoch auch immer wieder neben und vor uns her sprangen und somit die zahlreichen potenziellen Kaukasus-Ottern, die sich nach unserer Ansicht hier überall sonnen mussten, verjagten. Nach kurzer Autofahrt setzten wir die Suche einige Kilometer weiter westlich in einem licht bewaldeten Südhang endlich ungestört fort. Auffällig war hier die hohe Dichte an braunen Eidechsen, die allesamt der Gattung Darevskia angehörten. Erst im Nachhinein konnten wir die vier verschiedenen Arten Kielschwanz-Felseidechse (Darveskia rudis bischoffi), Rotbauch-Felseidechse (Darevskia adjarica), Artwiner Eidechse (Darevskia derjungini barani) und Clark's Felseidechse (Darevskia clarkorum) identifizieren. Die Kaukasus-Otter zeigte sich trotz eigentlich guter Witterungsbedingungen nicht und unser Schlangenhunger wurde auch nicht von einer überfahrenen Schlingnatter (Coronella austriaca) gestillt. Da es zum Mittag zu warm für die Vipernsuche wurde, fuhren wir zurück an die Schwarzmeerküste, um neue Energie für den Nachmittag zu sammeln. Der ebenfalls sonnige Nachmittag sollte uns in das südlich von Batumi gelegene Charnali-Tal führen. Hierzu mussten wir jedoch erst die umtriebige Geschäftigkeit der viel befahrenen Straßen Batumis - immerhin mit ca. 150.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Georgiens - passieren. Nach fünf Beinahe-Unfällen und ebenso vielen fast überfahrenen Passanten erreichten wir das Nordende des Charnali-Tals. Das tief eingeschnittene, luftfeuchte Tal bietet ähnlich wie der Mtirala-Nationalpark üppig grüne Vegetation und traumhafte, kristallklare Bergbäche. Mehrere Restaurants, die teilweise auf Stelzen über den Bach gebaut sind, dürften vor allem Sommer sehr einladend sein, jetzt standen sie eher alleine und verlassen da. Auffällig waren außerdem die unzähligen Bienenkästen, mit Hilfe derer die Georgier ihren überregional bekannten Honig produzieren. Auch an diesem Nachmittag machte uns der frühe Sonnenuntergang einen Strich durch die Rechnung, sodass eine effektive Suche nach der Kaukasus-Otter nicht mehr möglich war. Wir ließen den Abend in einem Restaurant des Tals ausklingen. Wir waren die einzigen Gäste, was der sehr freundliche Wirt mit Hilfe seines eigenen DJ's mit lauter elektronischer Musik balkanischen Einschlags quittierte, vielleicht um seinen Nachbarn auf diese Weise mitzuteilen, dass er tatsächlich Kundschaft hatte. Wieder wählten wir mehrere Speisen aus der umfangreichen Karte und genossen die einzigartige Stimmung des malerischen Tals. Für uns vier betrug die Rechnung am Ende gerade einmal 65 Lari (umgerechnet ca. 20 €). Nach kurzer Nachtwanderung, die neben einigen allgegenwärtigen Levante-Wasserfröschen (Rana bedriagae) auch eine Larve des Kaukasus-Salamanders (Mertensiella caucasica) zum Vorschein brachte, machten wir uns auf den Rückweg und beschlossen am folgenden Morgen unser Glück in diesem viel versprechenden Tal nochmals zu versuchen...

 

Ausschnitt aus dem Mtirala-Nationalpark: Einzelne Höfe mit bewirtschafteten Flächen, umgebend großflächige, teilweise sehr lichte Wälder.

 

Typisches Bild im Mtirala-Nationalpark: Kleine Rinderrassen beweiden Wald und Offenland gleichermaßen.

 

Thomas beim Fotografieren einer Darevskia-Art, wie so häufig unter genauer Beobachtung eines Hundes.

 

Sich sonnendes Jungtier der Kielschwanz-Felseidechse (Darevskia rudis bischoffi) im Mtirala-Nationalpark.

 

Ausgewachsenes Männchen der Kielschwanz-Felseidechse, die die größte Darevskia-Art im Gebiet ist.

 

Lebensraum von vier Darevskia-Arten im Mtirala-Nationalpark: Besonnte Böschungen und lichte, sonnendurchflutete Wälder.

 

Dieses Weibchen der Rotbauch-Felseidechse (Darevskia adjarica) ist im Herbstlaub des lichten Waldes gut getarnt.

 

Die ausgewachsenen Weibchen der Artwiner Eidechse (Darevskia derjungini barani) ähneln sehr den heimischen Waldeidechsen (Zootoca vivipara) und waren im lichten Wald sehr häufig.

 

Clark's Felseidechse (Darevskia clarkorum) bevorzugt häufig felsige Habitate, die sich in Gewässernähe befinden.

 

Charakteristische landwirtschaftliche Nutzung im Mtirala-Nationalpark: Im fast immerfeuchten Tal wird das Mahdgut auf so genannten Heinzen getrocknet.

 

 

Kurze Pause am nicht allzu einladenden Kiesstrand am Schwarzen Meer - wie immer begleitet von einigen Straßenhunden, die uns unser Mittagessen streitig machen wollten.

 

Das Restaurant in aufgeständerten Holzhütten direkt am Fluss im Charnali-Tal.

 

Der erste Eindruck eines Kaukasus-Salamanders (Mertensiella caucasica) war nur die schemenhafte Gestalt einer Larve in einem klaren Bergbach bei Nacht.

 

3. Tag - Jagdfieber und Ankommen in der grauen Realität

Voller Hoffnung auf unsere erste Kaukasus-Otter machten wir uns am folgenden Morgen wieder auf den Weg in Richtung Charnali-Tal und mussten dabei feststellen, dass die Durchquerung Batumis im morgendlichen Berufsverkehr noch chaotischer ist als zur Nachmittagszeit. Kaum im Tal angekommen, stürzten wir bei idealen Witterungsbedingungen - die Sonne erwärmte die von der letzten Nacht noch taubenetzte Vegetation - aus dem Auto und fanden nach kurzer Zeit einen idealen Vipernlebensraum. Es handelte sich um einen offenen, nach Süden exponierten Hang, der teilweise mit Gebüschen und Farnen bestanden war. Doch nach etwa einer Stunde Suche stellte sich Ernüchterung ein - unsere erste Kaukasus-Otter blieb uns weiterhin verborgen und das, obwohl eigentlich alle Voraussetzungen für ihr Auffinden erfüllt waren. Immerhin zeigten sich die ersten Eidechsen, darunter auch die attraktive Unterart unserer Zauneidechse Lacerta agilis grusinica, deren Jungtiere eine Längsstreifung aufweisen und deren Adulttiere aufgrund ihres hohen Grünanteils an Smaragdeidechsen erinnern. Auch die Gattung Darevskia war individuenreich mit zwei Arten vertreten, der Kielschwanz-Felseidechse und der Artwiner Eidechse. Wir fanden zudem zwei letzte Exemplare der Gottesanbeterin (Mantis religiosa), ansonsten war hinsichtlich der Entomofauna wenig los, was primär auf die weit fortgeschrittene Jahreszeit zurückzuführen war. Bis zum Mittag hin suchten wir an weiteren geeigneten Stellen des Tals, konnten aber nur Eidechsen und Levante-Wasserfrösche nachweisen. Etwas enttäuscht gaben wir zum Nachmittag hin auf - wären die Kaukasus-Ottern noch aktiv gewesen, hätten wir sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gefunden. Am Abend zogen erste Wolken auf und es kündigte sich Regen an, der zum Einbruch der Nacht begleitet von einem ohrenbetäubenden Gewitter einsetzen und nicht so schnell nachlassen sollte...

 

Dieser südexponierte Hang mit Offenflächen, Einzelgehölzen und Saumbereichen schien uns sehr geeignet als Lebensraum für die Kaukasus-Otter - wir fanden jedoch nur mehrere Eidechsenarten.

 

Jungtier der Zauneidechsen-Unterart Lacerta agilis grusinica in oben gezeigtem Habitat.

 

Aufsicht auf das Jungtier der Zauneidechse; gut zu erkennen ist die dorsale Längsstreifung.

 

Die Gottesanbeterin (Mantis religiosa) - hier auf Ines Arm - sorgte für etwas entomologische Abwechslung.

 

Die Jungtiere der Artwiner Eidechse zeigen einen starken Kontrast zwischen bräunlicher Körper- und teilweise sehr auffälliger Schwanzfärbung.

 

Dieses Jungtier der Artwiner Eidechse besitzt einen besonders auffällig türkis gefärbten Schwanz.

 

Charakteristisches Habitat der Artwiner Eidechse: Besonnte Böschungen mit Holzpoltern und angrenzende zur Aufstellung von Bienenkästen genutzte Lichtungen.

 

Sich sonnendes Männchen der Kielschwanz-Felseidechse im Charnali-Tal.

 

Ein Pärchen der Kielschwanz-Felseidechse; links das Weibchen, rechts das Männchen.

 

Habitat der Kielschwanz-Felseidechse: An den von überhängender Vegetation bedeckten, teilweise aber auch gut besonnten Felsen konnten mehrere Individuen der Art beobachtet werden.

 

Sich sonnender Levante-Wasserfrosch (Pelophylax bedriagae); die Art war an allen Gewässern meist zahlreich vertreten.

 

Aufenthaltsgewässer mehrerer Levante-Wasserfrösche im Charnali-Tal; ein halbschattiger Tümpel am Wegesrand.

 

4. Tag - Irgendwann müssen die 4.500 mm Niederschlag ja fallen, aber warum gerade jetzt?

Die Wettervorhersage für den heutigen Tag war eigentlich gar nicht so übel - sonnige Phasen sollten sich mit Schauern und Wolken abwechseln. Leider beschränkte sich die sonnige Phase auf etwa fünf Minuten und die Schauer hatten eher den Charakter eines starken Dauerregens. Trotzdem machten wir uns wieder auf die Suche und wollten die wenigen niederschlagslosen Minuten nutzen, um im Tal des Tschorochi südlich von Batumi nach der dort vorkommenden Herpetofauna zu suchen - wobei wir aufgrund der Witterung nicht mit Reptilien rechneten. Auf einem trockenen Damm fand sich etwas Müll und Abraum, was in Georgien überraschend selten ist - wilde Müllkippen sind etwa im Vergleich zu Griechenland eine Rarität. Bereits unter dem zweiten Stück Plastik fanden wir eine Würfelnatter, die hier Schutz vor der Nässe suchte. In sonnigen Phasen zeigten sich an den südexponierten Säumen des Damms auch Ringelnattern (Natrix natrix scutata), Kielschwanz-Felseidechsen, ein Jungtier der Östlichen Riesen-Smaragdeidechse (Lacerta media) sowie zwei schwarz gefärbte Schlangen, die jedoch zu schnell flüchteten, um sie bestimmen zu können. Wahrscheinlich handelte es sich bei ihnen um melanistische Ringelnattern. Entlang der Gebüschsäume riefen vereinzelt Laubfrösche, die wir leider nicht aufspüren konnten. Allgegenwärtig waren außerdem die Levante-Wasserfrösche, die hier in allen Größen und Zeichnungsvarianten auftraten, sodass es schwer zu glauben war, dass sie alle zur selben Art gehören sollen. Nachdem der Regen immer stärker wurde und es nicht mehr möglich war, sich draußen aufzuhalten, ohne komplett durchnässt zu werden, traten wir den Rückweg nach Makhinjauri an.

Am Nachmittag besserte sich das Wetter etwas und wir brachen nochmals in Richtung Mtirala-Nationalpark auf, um nach Adulttieren des im Kaukasus endemischen Kaukasus-Salamanders zu suchen. Hierbei konzentrierten wir uns auf die unmittelbare Umgebung der zahlreichen Bäche und suchten vor allem in Felsspalten und an Unterführungen. Es ergab sich allerdings kein Hinweis auf die offenbar recht versteckt lebende Art. Mit Hilfe einer ganz speziellen Brückenkonstruktion überquerten wir den Fluss Chakvistskali und wanderten in Richtung eines südlich davon gelegenen Wasserfalls. Ohne echte Hoffnung auf einen Fund drehte Dominik in der Spritzwasserzone des Wasserfalls einen Stein und fand dabei tatsächlich unsere ersten beiden Kaukasus-Salamander. Die im Mtirala-Nationalpark vorkommende Form gehört zur Unterart M. c. djanashvilii und zeigt im Vergleich zur Nominatform eine reduzierte Gelbfleckung. Die Tiere bewegten sich flink, fast eidechsenartig und waren mit ihren dezenten gelben Flecken und ihrer schlanken Gestalt sehr schön anzusehen. Insgesamt fanden wir am Wasserfall drei Individuen, ein Weibchen, ein Männchen sowie ein Jungtier. Auf dem Rückweg sahen wir bei einsetzender Dunkelheit ein weiteres subadultes Tier, das sich gerade aus seinem Versteck in einer Böschung hervor gewagt hatte. Mit der Kolchischen Kröte (Bufo verrucosissimus) konnten wir außerdem eine weitere Amphibienart nachweisen, die bei nun einsetzender Dunkelheit aktiv war. Glücklich und zufrieden aufgrund dieses amphibischen Highlights machten wir uns auf den Rückweg und hofften auf weitere interessante Amphibienarten am Folgetag, denn auch für diesen war Regen angekündigt...

 

Die von Rindern und Pferden beweidete Aue des Tschorochi stellt einen sehr guten Amphibienlebensraum dar.

 

Suchbild eines Jungtieres der Östlichen Riesen-Smaragdeidechse (Lacerta media) im natürlichen Habitat - solche Ansammlungen von Schutt und Müll waren in Georgien allerdings eher selten.

 

Damm im Tal des Tschorochi: Entlang der südexponierten Säume konnten wir mehrere Kielschwanz-Felseidechsen, die Östliche Riesen-Smaragdeidechse, Ringelnattern und die Würfelnatter beobachten.

 

Mit Hilfe dieser per Kurbel angetriebenen Kabine konnten wir den Fluss Chakvistskali für einen Wegezoll von zwei Lari überqueren.

 

Habitat des Kaukasus-Salamanders direkt in der Spritzwasserzone des Wasserfalls: Die Tiere hielten sich unter Steinen und in Spalten entlang der Felskante auf.

 

Kräftiges Weibchen des Kaukasus-Salamanders am Wasserfall, die gelbe Fleckung ist vorhanden, aber reduziert.

 

Männchen des Kaukasus-Salamanders am Wasserfall, die gelbe Fleckung ist fast komplett reduziert.

 

Jungtier des Kaukasus-Salamanders (Mertensiella caucasica djanashvilii) am Wasserfall.

 

5. Tag - Regen und kein Ende in Sicht

Der Tag begrüßte uns mit intensiven Regenfällen - der Himmel hatte offenbar seine Schleusen komplett geöffnet und es goss wie aus Kübeln. So konnten wir es uns leisten bzw. es blieb uns nicht anderes übrig, als gemütlich zu frühstücken, um gegen Mittag nochmals in den Mtirala-Nationalpark zu fahren und etwas die Gegend zu erkunden, ohne jedoch weitere nennenswerte Funde zu machen.

Am Abend steuerten wir die Aue des Tschorochi an, um bei Dunkelheit nach den nun hoffentlich verstärkt aktiven Amphibien zu suchen. Neben den obligatorischen Levante-Wasserfröschen fanden wir mit einigen Exemplaren des Kleinasiatischen Braunfrosches (Rana macrocnemis) immerhin eine weitere Art, die wir bisher noch nicht gesehen hatten. Der große, kräftige Frosch erinnerte uns in seiner Gestalt an eine Mischung aus den bei uns heimischen Grasfröschen (Rana temporaria) und Springfröschen (Rana dalmatina).

 

Typisches Bild aus dem Mtirala-Nationalpark: Üppige, grüne Vegetation und ein von Rindern beweideter Quellbach.

 

Die von Rindern und anderen Säugern beweidete Flussaue des Tschorochi ist ein idealer Amphibienlebensraum - besonders der Levante-Wasserfrosch war in großen Mengen vertreten.

 

Dieser Levante-Wasserfrosch erinnert an unseren einheimischen Seefrosch (Pelophylax ridibundus).

 

Dieser Levante-Wasserfrosch war deutlich kleiner und erinnert mit seiner grünen Färbung an unseren heimischen Kleinen Wasserfrosch (Pelophylax lessonae).

 

Der Kleinasiatische Braunfrosch (Rana macrocnemis) sieht aus wie eine Mischung aus Gras- und Springfrosch; wir fanden ihn nur nachts in wenigen Exemplaren.

 

Dieses Exemplar des Kleinasiatischen Braunfroschs ist deutlich dunkler gefärbt und zeigt gut die hohe Variabilität der Art.

 

6. Tag - Rückfahrt und Abflug

Unser Rückflug sollte am Nachmittag von Kutaissi aus starten. Wir beschlossen auf der Rückfahrt einen kleinen Umweg auf uns zu nehmen, um noch etwas mehr von der landschaftlichen Schönheit des Kleinen Kaukasus genießen zu können. Wir fuhren durch die georgische Kulturlandschaft, die Straßen wie immer gesäumt von Rindern und Schweinen, durch die hügeligen und üppig grünen Erhebungen des Bergmassivs und entlang der Talaue des Flusses Supsa, an dem wir an geeigneter Stelle Halt machten. Hier fanden wir zu unserer Überraschung unter einem Stein noch ein ausgewachsenes Männchen der Zauneidechse, das hier vor der kühlen und feuchten Witterung Zuflucht gesucht hatte. Es sollte unser letzter reptilischer Fund in Georgien sein.

Unsere Reise konnte uns nur einen kleinen Eindruck aus diesem so vielfältigen und artenreichen Land vermitteln. Unser Entschluss ist jedoch gefasst, im Frühjahr 2020 soll es erneut nach Georgien gehen, dann jedoch mit mehr Zeit und mit hoffentlich besserer Witterung, um neben der Kaukasus-Otter weitere Arten der dort heimischen Herpetofauna entdecken zu können.

 

Dieses prächtige Männchen der Zauneidechse ruhte unter einem Stein.

 

Habitat der Zauneidechse am Ufer des Supsa.

 

Artenliste

Deutscher Name

Wiss. Name

Bemerkung

Mtirala-Nationalpark Charnali-Tal Talaue des Tschorochi

Anzahl

Kaukasus-Salamander

Mertensiella caucasica

 Unterart djanashvilii

4 1 L -

5

Kolchische Kröte

Bufo verucosissimus

 

5    

5

Kleinasiatischer Braunfrosch

Rana macrocnemis

 

    5

5

Levante-Wasserfrosch

Pelophylax bedriagae

 auch Talaue des Supsa

  ca. 30 > 100

 > 100

Laubfrosch

Hyla arborea

rufend; auch in Makhinjauri

    5

10

Kielschwanz-Felseidechse

Darevskia rudis

 Unterart bischoffi

ca. 15 ca. 40 ca. 5

ca. 50

Artwiner Eidechse

Darevskia derjugini

Unterart barani

ca. 30 ca. 20 -

ca. 50

Rotbauch-Felseidechse

Darevskia adjarica

  ca. 10   -

ca. 10

Clark's Felseidechse

Darevskia clarkorum

  ca. 5   -

ca. 5

Zauneidechse

Lacerta agilis

Unterart grusinica, auch Talaue des Supsa

  4  

5

Östliche Riesen-Smaragdeidechse

Lacerta media

 

    1

1

Ringelnatter

Natrix natrix

Unterart scutata

    2

2

Würfelnatter

Natrix tessellata

auch Talaue des Rioni

    1

2

Schlingnatter

Coronella austriaca

Totfund

1    

 1

Summe

14

 

     

 

 Zahl = nachgewiesene Individuen; - = nicht vorkommend; leeres Feld = vorkommend, aber von uns nicht gefunden; L = Larve

 Was wir verpasst haben

Aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit waren die Nachweismöglichkeiten für einige Arten sicherlich stark eingeschränkt. Dennoch kommen in Westgeorgien einige Arten vor, mit denen wir gerechnet hatten, die wir aber nicht gefunden haben. Unter den Amphibien sind dies Wechselkröte (Bufo viridis), Nördlicher Bandmolch (Ommatotriton ophryticus), Teichmolch (Lissotriton vulgaris lantzi), Asiatischer Kammmolch (Triturus karelinii), Kaukasischer Schlammtaucher (Pelodytes caucasicus) und Kleinasiatischer Laubfrosch (Hyla savignyi). Auch die Reptilien sind neben der Kaukasusotter (Vipera kaznakovi) mit einigen weiteren Arten, die wir nicht nachweisen konnten, in diesem Raum vertreten: Östliche Blindschleiche (Anguis colchica), soweit anerkannt Großkopf-Ringelnatter (Natrix megalocephala), Äskulapnatter (Zamenis longissimus), Kaspische Bachschildkröte (Mauremys caspica) und Sumpfschildkröte (Emys orbicularis).

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