Vipera aspis (Aspisviper) (Linnaeus, 1758)
Verbreitung in Deutschland: Vipera aspis ist in Deutschland ausnahmslos in Baden-Württemberg und hier nur im Südschwarzwald anzutreffen. Die Vorkommen setzen sich mit einer Verbreitungslücke von ca. 20 km in der Nordschweiz (Jurakette) fort und sind als nördlichster und stark isolierter Ausläufer der Alpenpopulationen zu werten. Bereits Anfang der 1990er-Jahre galten allerdings die letzten beiden Vorkommen im benachbarten Kanton Aargau als vom Aussterben bedroht (Dusej & Billing 1991). Die nördlichsten französischen Vorkommen in Lothringen reichen bis ca. 25 km an die bundesdeutsche Grenze des Saarlandes heran (Fritz & Lehnert 2007). Im benachbarten Elsass wurden in den 1970er- und 1980er-Jahren an mehreren Stellen (Rouffach, Ribeauvillé, Bonhomme; Entfernung von der deutschen Grenze ca. 25 km) Aspisvipern ausgesetzt, deren Bestände sich teilweise bis heute gehalten und sogar ausgedehnt haben (Ott 2018). Bundesweit gilt die Art als vom Aussterben bedroht (Kühnel et al. 2009).
Verbreitung in Baden-Württemberg: Wie bereits oben beschrieben, ist die Aspisviper in Baden-Württemberg aktuell ausschließlich im Südschwarzwald verbreitet. Hier wurde sie im Jahre 1979 wieder entdeckt, nachdem sie 1867 erstmals nachgewiesen wurde (Fritz et al. 1987). Die ehemaligen Fundorte am Grenzacher Horn und Isteiner Klotz am Hoch- und südlichen Oberrhein im Grenzgebiet zur Schweiz und zu Frankreich sind seit den 1950er-Jahren unbestätigt. Im Südschwarzwald wird ein nur sehr kleinräumiges Areal, bestehend aus wenigen Taleinschnitten, besiedelt. Die exakte Lokalität soll aufgrund der Seltenheit und der damit einhergehenden starken Gefährdung der Art unerwähnt bleiben.
Habitatansprüche: V. apsis besiedelt in Baden-Württemberg bevorzugt Blockhalden, Felsköpfe, lichte Wälder, Steinbrüche sowie sonnenexponierte Böschungen und Wegränder (Fritz & Lehnert 2007). An den Südhängen der Täler existiert meist ein Mosaik aus derartigen Strukturen, das es den Tieren ermöglicht, je nach Jahreszeit und Witterung zwischen diesen Strukturelementen zu wechseln. Sie sind allerdings häufig auch sehr standortstreu und über Wochen am selben Fundort anzutreffen. Besonders gerne werden zu einem geringen Grad von Deckung gebenden Bäumen und Sträuchern überschattete, mit Moos- oder Laubpolstern ausgestattete Blockhalden besiedelt, die eine große Auswahl an Sonn- und Versteckmöglichkeiten sowie Nahrung (Mauereidechsen, Mäuse) bieten (K. Fritz, mündl.).
Gefährdung/Schutz: RL BW: Vom Aussterben bedroht (Laufer & Waitzmann 2022). Allein schon aufgrund der geringen Größe und der Isoliertheit des baden-württembergischen Verbreitungsgebietes ist die Aspisviper in Baden-Württemberg und damit auch in Deutschland vom Aussterben bedroht. Das Land Baden-Württemberg ist in besonders hohem Maße für die Erhaltung der Aspisviper in Deutschland verantwortlich. Im besiedelten Areal ist die Art vor allem durch eine zunehmende Beschattung der Blockhalden und Felsköpfe durch Sukzession gefährdet (Braunisch et al. 2018). Die ebenfalls im Gebiet vorkommenden Gämsen verlangsamen einerseits diese Sukzession, bewirken jedoch andererseits durch Verbiss den Verlust deckungsreicher und mikroklimatisch variabler Strukturen innerhalb der Blockhalden und vor allem auf Felsköpfen (K. Fritz, mündl.). Weitere Gefährdungen bestehen durch den Straßenverkehr, Störungen durch Wanderer und das Wegsammeln für die Terrarienhaltung, was sich im Falle derart kleinräumiger und isolierter Populationen sehr negativ auswirken kann (Fritz & Lehnert 2007). Zum Schutz von V. aspis muss eine Verknüpfung der einzelnen besiedelten Patches durch lichte Waldstrukturen und Säume gewährleistet werden. Hierzu bietet sich vor allem die regelmäßige Auflichtung der Wälder an, da stark beschattete und kühl-feuchte Waldbereiche weitgehend gemieden werden (Braunisch et al. 2018). Diese könnte in Form einer niederwaldartigen Bewirtschaftung realisiert werden (vgl. Jäggi & Baur 1999), wie sie in früheren Zeiten in diesem Raum üblich war. In vielen Bereichen könnten die besiedelten Blockhalden durch Rücknahme des südlich angrenzenden Waldes deutlich aufgewertet werden, indem dadurch die Sonneneinstrahlung erhöht wird. Gerade im nördlichen Teil des Verbreitungsgebiets wirkt sich die Ausweisung als Bannwald deutlich negativ aus. Pflegende Eingriffe sind hierdurch kaum möglich, die Blockhalden und lichten Wälder verschatten zunehmend, wodurch die Habitate feuchter und mikroklimatisch ungünstiger werden. Zerfallendes Totholz eutrophiert die Bereiche zusätzlich, hierdurch entstehen nicht die von der Aspisviper bevorzugten Lichtbereiche, wie sie bei Entnahme des Holzes durch niederwaldartige Nutzung entstehen würden. Ein Vergleich mit historischen Luftbildaufnahmen aus den 1960er-Jahren zeigt eindeutig die Gehölzzunahme in den Wäldern und Blockhalden, wodurch bis zu 50 % des ehemals verfügbaren Habitats bereits verloren gegangen sein dürften. Für die besiedelten Lebensräume (Blockschutthalden) im benachbarten Kanton Aargau wurden bereits Anfang der 1990er-Jahre o. g. Gefährdungsfaktoren erkannt und entsprechende Auflichtungsmaßnahmen vorgeschlagen (Dusej & Billing 1991). Ob diese auch umgesetzt wurden, ist nicht bekannt.
Eignung als Indikatorart: V. aspis kann als Indikator für Blockhalden und lichte Wälder in Südhanglage gelten.
Bestimmung: Aufgrund des eng begrenzten Verbreitungsgebiets und der spezifischen Lebensraumansprüche besteht in Deutschland keine Verwechslungsgefahr. Kreuzottern (Vipera berus) besitzen ein Zick-Zack-Band auf dem Rücken, während bei deutschen Aspisvipern dieses Band in einzelne Barren aufgelöst ist. Zudem verfügt V. aspis über eine leicht aufgewölbte Schnauzenspitze.
Quellen:
Braunisch, V., Werwie, F. & E. Ballenthien (2018): Lichtwaldarten-Förderung: Zielwerte für die Aspisviper im Südschwarzwald. - FVA-einblick 2: 10-14.
Dusej, G. & H. Billing (1991): Die Reptilien des Kantons Aargau - Verbreitung, Ökologie und Schutz. - Mitteilungen der aargauischen Naturforschenden Gesellschaft 33: 246-274.
Fritz, K. & M. Lehnert (2007): Aspisviper - Vipera aspis (Linnaeus, 1758). In: Laufer, H.; Fritz, K. & P. Sowig (Hrsg.): Die Reptilien und Amphibien Baden-Württembergs. Ulmer Verlag (Stuttgart), 693-708.
Fritz, K., Müller, G., Lehnert, M. & M. Schrenk (1987): Zur gegenwärtigen Situation der Aspisviper (Vipera apsis L.) in Deutschland. - Beihefte zu den Veröffentlichungen für Naturschutz und Landschaftspflege in Baden-Württemberg 41: 463-472.
Jäggi, C. & B. Baur (1999): Overgrowing forest as a possible cause for the local extinction of Vipera aspis in the northern Swiss Jura mountains. - Amphibia-Reptilia 20 (1): 25-34.
Kühnel, K.-D.; Geiger, A.; Laufer, H.; Podloucky, R. & M. Schlüpmann (2009): Rote Liste und Gesamtartenliste der Lurche (Amphibia) und Kriechtiere (Reptilia) Deutschlands [Stand Dezember 2008]. In: Haupt, H.; Ludwig, G.; Gruttke, H.; Binot-Hafke, M.; Otto, C. & A. Pauly (Red.) (2009): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 1: Wirbeltiere. Bundesamt für Naturschutz: Naturschutz und biologische Vielfalt 70 (1).
Laufer, H. & M. Waitzmann (2020): Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs. 4. Fassung. Stand 31.12.2020. - Naturschutz-Praxis Artenschutz 16.
Ott, J.-J. (2018): Morsures de Vipère aspis (Linnaeus, 1758) (Squamata: Viperidae) au Bollenberg (Alsace). - Bulletin de la société de la histoire naturelle et d'ethnographie de Colmar 75: 49-58.
Weibchen der Aspisviper (Vipera aspis) im Habitattyp Blockhalde im südlichen Schwarzwald, Oktober 2012.
Kräftiges, graues Weibchen aus dem Südschwarzwald (Mai 2020).
Sich sonnendes Männchen aus dem Südschwarzwald, Oktober 2017.
Graues Männchen der Aspisviper mit rot gerandeten schwarzen Flecken, Oktober 2017.
Graues Männchen der Aspisviper auf einer Blockhalde im Südschwarzwald, September 2018.
Weiteres graues Männchen aus dem Südschwarzwald, Oktober 2018.
Braunes Weibchen in einer Blockhalde, Juni 2018.
Braune Farbvariante eines Weibchens von V. aspis ebenfalls in einer Blockhalde, Oktober 2012.
Großes, braunes Weibchen beim Sonnenbad in einer Blockhalde, Juni 2018.
Sich sonnendes braunes Weibchen von V. aspis im Südschwarzwald, Mai 2018.
Sich in der Abendsonne sonnendes bräunlich-rotes Weibchen aus dem Südschwarzwald, Mai 2020.
Graues Jungtier der Aspisviper sich sonnend auf Totholz, Südschwarzwald, Oktober 2020.
Ein Jungtier von V. aspis sonnt sich im Herbstlaub und wird dabei von Ameisen und Wanzen gestört, Südschwarzwald, November 2020.
Portrait eines Jungtieres der Aspisviper im Südschwarzwald, Mai 2018.
Kopfportrait eines Weibchens der Aspisviper, Juni 2018.
Sich sonnende Aspisviper im Habitat im Südschwarzwald, Oktober 2019.
Sich im lichten Laubwald sonnendes Jungtier der Aspisviper im Spätherbst, Südschwarzwald, November 2020.
Habitat im Südschwarzwald, eine von Bäumen und Sträuchern durchsetzte Blockhalde, Aufenthaltsort des grauen Weibchens.
Weitere Blockhalde als Habitat der Aspisviper im Südschwarzwald.
Weitere strukturreiche Blockhalde als Habitat der Aspisviper im Südschwarzwald.
Schematische Verbreitung von V. aspis in Baden-Württemberg:
Schwarzer Punkt: Eigene Nachweise (exakte Lokalität aus Artenschutzgründen nicht dargestellt) Stand 2020
Natrix natrix, Zamenis longissimus, Coronella austriaca, Vipera berus, Anguis fragilis, Zootoca vivipara, Lacerta agilis, Lacerta bilineata, Podarcis muralis, Emys orbicularis