Polysarcus denticauda (Wanstschrecke) (Charpentier, 1825)

Verbreitung in Deutschland: Die südeuropäisch und ponto-pannonisch verbreitete Wanstschrecke ist in Deutschland auf den Süden beschränkt. Hier tritt sie in den Mittelgebirgen Thüringens (z. B. Rhön), Bayerns (Allgäuer Alpen) und Baden-Württembergs (Schwäbische Alb) auf (Maas et al. 2002). Deutschlandweit gilt die Art als stark gefährdet, wobei die Bestände primär aufgrund von landwirtschaftlichen Nutzungsintensivierungen abnehmen (Poniatowski et al. 2024).

Verbreitung in Baden-Württemberg: Es werden primär die Schwäbische Alb und deren Randbereiche (Teile des Albvorlandes, der Oberen Gäue, des Hegaus und der Baar-Alb) besiedelt. Im östlichen Bereich der Schwäbischen Alb fehlt die Art (Detzel 1998). Die ehemaligen Vorkommen im Neckartal bei Tübingen sind erloschen. Hier kam die Art im Neckartal südlich des Spitzbergs (Nachweise bis in die 1950er-Jahre) und südlich von Tübingen bis Kusterdingen (Nachweise im 19. Jahrhundert) vor (Trautner 2024). Auch heute noch existieren in diesem Bereich in Wasser- und Naturschutzgebieten magere Flachlandmähwiesen, ohne dass die Art dort wieder nachgewiesen wurde.

Habitatansprüche: Polysarcus denticauda benötigt magere, meist ungedüngte Glatthaferwiesen und Magerrasenkomplexe. Wichtig ist weiterhin eine extensive Nutzung, bei der der erste Mahdtermin nicht vor Mitte Juli stattfindet. Ebenso reagiert die Art empfindlich auf starke Verfilzung und anschließende Sukzession (Detzel 1998, Maas et al. 2002). Charakteristische Habitate sind extensiv genutzte Wiesen in den Tälern der Schwäbischen Alb, in geringerer Dichte kommt die Wanstschrecke auch in trockeneren Magerwiesen und auf Einmähdern vor.

Gefährdung/Schutz: Stark gefährdet (Detzel et al. 2022). Die Wanstschrecke ist in Baden-Württemberg aufgrund der Aufgabe extensiver und kleinparzellierter Wiesennutzung stark gefährdet. Vielfach wird die Nutzung entsprechender Habitate intensiviert oder aufgegeben. Um diese immobile Art wirksam zu schützen, müssen großflächig geeignete Habitate miteinander in Verbindung stehen und sowohl Mahdtermine als auch Düngung auf diese abgestimmt werden (Detzel 1998). Baden-Württemberg besitzt eine deutschlandweite Verantwortung für den Schutz dieser stark gefährdeten Art. Auf der Schwäbischen Alb kann die Wanstschrecke als Charakter- und Leitart extensiv genutzter, magerer Flachland- und Bergmähwiesen (FFH-Mähwiesen) dienen. Ihr Schutz ist damit eng mit dem gesetzlich verankerten Verbot der Intensivierung von FFH-Mähwiesen und des Grünlandumbruchs verbunden. Das Belassen von Brachestreifen in Mähwiesen kann den stark prädationsgefährdeten Wanstschrecken bei großflächiger Mahd Rückzugsräume bieten (Hermann et al. 2022). Auch sollte der erste Schnitt nicht zu früh, je nach Region möglichst erst ab Anfang bis Mitte Juli erfolgen, wenn P. denticauda adult ist und ihre Reproduktion möglichst bereits abgeschlossen hat. Bei Verfilzung und Verarmung der Flächen aufgrund des späten ersten Schnitts, können entweder Teilflächen früh im Jahr (April) gemäht oder beweidet werden oder es kann eine Reduktion der Nährstoffgaben erfolgen (Hermann et al. 2022).

Eignung als Indikatorart: P. denticauda ist ein hervorragender Indikator für magere, extensiv genutzte Glatthaferwiesen. Für Halbtrockenrasen hat die Art einen nur mäßig hohen Indikatorwert, da hier meist andere Schutz- und Pflegeziele im Vordergrund stehen.

Bestimmung: Imagines sind aufgrund ihrer Größe und der sehr kurzen Flügel gut zu identifizieren. Larven können dagegen der Plumpschrecke (Isophya kraussii) ähnlich sehen. Der recht leise Gesang ist sehr charakteristisch, wodurch die Art deutlich besser zu erfassen ist als durch Sichtnachweise, da sie sich meist in den unteren Schichten der Vegetation aufhält. Männchen können allerdings auch singend auf erhöhten Sitzwarten gefunden werden.

Quellen für diese Seite:

Detzel, P. (1998): Die Heuschrecken Baden-Württembergs. Eugen Ulmer (Stuttgart), 580 S.

Detzel, P.; Neugebauer, H.; Niehues, M. & P. Zimmermann (2022): Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Heuschrecken und Fangschrecken Baden-Württembergs. Stand 31.12.2019. - Naturschutz-Praxis Artenschutz 15, 179 S.

Hermann, S.; Detzel, P.; Bamann, T. & N. Anthes (2022): Association between mowing regimes and abundance of the Bull Bush Cricket (Polysarcus denticauda). - Articulata 37: 83-102.

Maas, S.; Detzel, P. & A. Staudt (2002): Gefährdungsanalyse der Heuschrecken Deutschlands - Verbreitungsatlas, Gefährdungseinstufung und Schutzkonzepte. Schriftreihe des Bundesamt für Naturschutz (BfN), Bonn - Bad Godesberg, 401 S.

Poniatowski, D.; Detzel, P.; Drews, A.; Hochkirch, A.; Hundertmark, I.; Husemann, M.; Klatt, R.; Klugkist, H.; Köhler, G.; Kronshage, A.; Maas, S.; Moritz, R.; Pfeifer, M.A.; Stübing, S.; Voith, J.; Winkler, C.; Wranik, W.; Helbing, F. & T. Fartmann (2024): Rote Liste und Gesamtartenliste der Heuschrecken und Fangschrecken (Orthoptera et Mantodea) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (7): 88 S.

Trautner, J. (2022): Wanstschrecke (Polysarcus denticauda) - Zum Erstnachweis in Deutschland im 19. Jahrhundert im Neckartal bei Tübingen und ihrem dortigen Erlöschen. - Artenschutz und Biodiversität 5 (6): 1-8-

Gesang

Weibchen der Wanstschrecke (Polysarcus denticauda) auf der Baar-Alb (Löffingen), Juli 2010.

 

Männchen der Wanstschrecke im Verbreitungszentrum der Westalb (Mahlstetten), Juli 2010.

 

Männchen von P. denticauda auf einer Sumpf-Kratzdistel auf der Schwäbischen Alb (Onstmettingen), Juni 2017.

 

Begattetes Weibchen der Wanstschrecke auf der Schwäbischen Alb (Öschingen), Juni 2014.

 

Beeindruckendes Weibchen der Wanstschrecke auf der Hand auf der Westalb (Messstetten-Tieringen), Juli 2010.

 

Männchen von P. denticauda an einer südexponierten Hangrutschung am Albtrauf (Jungingen), Juli 2011.

 

Weibliche Larve der Wanstschrecke vom nördlichen Albtrauf (NSG Filsenberg), Mai 2017.

 

Charakteristisches Habitat der Wanstschrecke auf der mittleren Albhochfläche (Stetten u. H.); magere, extensiv genutzte Talwiesen.

 

Habitat der Wanstschrecke auf der Schwäbischen Alb (Tieringen), extensiv genutzte Magerwiesen.

 

Großflächiger Magerwiesenkomplex auf der Schwäbischen Alb (Öschingen) als charakteristisches Habitat der Wanstschrecke.

 

Weiteres Habitat auf der Schwäbischen Alb (Schopfloch); extensiv genutzte, großflächige und spät gemähte Magerwiesen.

 

Habitat von P. denticauda auf der Schwäbischen Alb (Meßstetten), frisches Extensivgrünland.

 

Habitat der Wanstschrecke im Albvorland (Ofterdingen); extensiv genutztes, frischeres Grünland.

 

Etwas ungewöhnlicher Fundort eines Männchens von P. denticauda am Albtrauf (Jungingen), das Tier befand sich inmitten dieses Hangabbruchs.

 

Schematische Verbreitung von P. denticauda in Baden-Württemberg:

Dunkelblauer Bereich: Belegte Vorkommen

Schwarze Punkte: Eigene Nachweise Stand 2020

Mantis religiosa, Polysarcus denticauda, Isophya kraussii, Leptophyes albovittata, Leptophyes punctatissima, Barbitistes serricauda, Phaneroptera falcata, Phaneroptera nana, Meconema meridionale, Meconema thalassinum, Conocephalus fuscus, Conocephalus dorsalis, Ruspolia nitidula, Tettigonia cantans, Tettigonia viridissima, Decticus verrucivorus, Platycleis albopunctata, Tessellana tessellata, Roeseliana roeselii, Bicolorana bicolor, Metrioptera brachyptera, Pholidoptera griseoaptera, Ephippiger ephippiger, Acheta domesticus, Gryllus campestris, Eumodicogryllus bordigalensis, Modicogryllus frontalis, Nemobius sylvestris, Pteronemobius heydenii, Oecanthus pellucens, Myrmecophilus acervorum, Gryllotalpa gryllotalpa, Tetrix ceperoi, Tetrix subulata, Tetrix undulata, Tetrix tenuicornis, Tetrix bipunctata, Podisma pedestris, Miramella alpina, Calliptamus italicus, Oedipoda germanica, Oedipoda caerulescens, Sphingonotus caerulans, Mecostethus parapleurus, Stethophyma grossum, Psophus stridulus, Aiolopus thalassinus, Arcyptera fusca, Chrysochraon dispar, Euthystira brachyptera, Omocestus rufipes, Omocestus viridulus, Omocestus haemorrhoidalis, Stenobothrus lineatus, Stenobothrus nigromaculatus, Stenobothrus stigmaticus, Gomphocerippus rufus, Myrmeleotettix maculatus, Stauroderus scalaris, Chorthippus apricarius, Chorthippus vagans, Chorthippus biguttulus, Chorthippus brunneus, Chorthippus mollis, Chorthippus albomarginatus, Chorthippus dorsatus, Pseudochorthippus montanus, Pseudochorthippus parallelus

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