Boloria aquilonaris (Hochmoor-Perlmutterfalter) (Stichel, 1908)
Verbreitung in Deutschland: Boloria aquilonaris ist in fast ganz Deutschland verbreitet, jedoch in allen Bundesländern zumindest stark gefährdet (Settele et al. 2005). Aktuelle Vorkommen im Norden Deutschlands existieren vor allem noch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, sehr wenige in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Verbreitungsschwerpunkte sind das Erzgebirge in Sachsen, das Fichtelgebirge, Bayerischer Wald und Alpenvorland in Bayern sowie Schwarzwald und württembergisches Allgäu in Baden-Württemberg (Reinhardt et al. 2020). Bundesweit gilt die Art aktuell ebenfalls als stark gefährdet (Reinhardt & Bolz 2011).
Verbreitung in Baden-Württemberg: Der Hochmoor-Perlmutterfalter kommt in Baden-Württemberg in zwei disjunkten Arealen vor. Zum einen wird Oberschwaben besiedelt, hier ist die Art vor allem im Westallgäuer Hügelland verbreitet, zum anderen kommt die Art auch in den Hochmooren des Mittleren und Südlichen Schwarzwaldes vor. Die ehemaligen Vorkommen im Baar-Wutach-Gebiet können aktuell nicht mehr bestätigt werden (Ebert & Rennwald 1991a).
Habitatansprüche: B. aquilonaris ist ein Spezialist der offenen Hoch- und Übergangsmoore. Hier befindet sich auch das Larvalhabitat, in dem sich die Raupe von der Moosbeere (Vaccinium oxycoccos) ernährt. Die Imagines nutzen aufgrund der Blütenarmut im Hochmoor auch angrenzende Streu- und Nasswiesen als Nektarquellen (Ebert & Rennwald 1991a). Der Hochmoor-Perlmutterfalter ist nicht eng an echte Hochmoore gebunden wie etwa Hochmoor-Gelbling (Colias palaeno) oder Hochmoor-Bläuling (Plebejus optilete) außerhalb der Alpen, sondern bevorzugt Übergangsmoore und ist auch in der Lage in Richtung Zwischenmoor tendierende Niedermoore und Streuwiesen mit Vorkommen der Moosbeere zu besiedeln. Im württembergischen Allgäu ist die Art mittlerweile fast ausschließlich auf sporadisch genutzten Übergangsmoorstandorten anzutreffen, während sie in den echten Hochmooren fehlt. Eine hoher Grundwasserstand, der eine regelmäßige Nutzung schwierig bis unmöglich machen kann, ist in den meisten - allerdings nicht in allen - besiedelten Habitaten gegeben. Hydrologisch gestörte Hochmoore und Heidehochmoore scheinen für die Art zu trocken zu sein, um als Reproduktionshabitate zu dienen.
Gefährdung/Schutz: RL BW: Stark gefährdet (Ebert et al. 2005). Der Hochmoor-Perlmutterfalter ist aufgrund seiner engen ökologischen Nische in Baden-Württemberg stark gefährdet. In der Vergangenheit fielen zahlreiche Hochmoore dem Torfabbau und der Trockenlegung zum Opfer. Auch heute noch werden vor allem angrenzende Feuchtwiesen durch tiefe Gräben und Drainagen entwässert, sodass in der Folge auch benachbarten Hochmooren das Wasser entzogen wird. Die dann zunehmende Verwaldung von Hochmoor-Standorten als Folge eines gestörten Wasserhaushalts führt zu empfindlichen Lebensraumverlusten. Zum Schutz dieses und zahlreicher weiterer Hochmoor-Spezialisten muss der Wasserhaushalt der noch verbliebenen Übergangs- und Hochmoore stabilisiert werden. Ist dies aufgrund zu starker Entwässerung nicht möglich, müssen die Übergangs- und Hochmoorbereiche durch regelmäßige Gehölzentnahme, Mahd und/oder Beweidung offen gehalten werden. Für die sporadisch genutzten Übergangsmoore gilt, dass die Nutzung trotz hohen Aufwands aufgrund der Nässe aufrecht zu erhalten ist. Störungen in mehrjährigen Abständen scheinen für die Art und die notwendige Vegetationsstruktur von Vorteil zu sein. Hierbei ist auch das regelmäßige Zurückdrängen aufkommender Gehölze zu berücksichtigen.
Eignung als Indikatorart: B. aquilonaris ist ein sehr guter Indikator für offene Hoch- und Übergangsmoore.
Bestimmung: Der Hochmoor-Perlmutterfalter sieht dem Magerrasen-Perlmutterfalter (Boloria dia) etwas ähnlich, fliegt aber in komplett anderen Lebensräumen und ist größer als dieser. Charakteristisch ist die Färbung und violette Übergießung der Flügelunterseite, oberseits kann die Art bei flüchtiger Bestimmung schnell mit weiteren zeitgleich fliegenden Arten (z. B. Braunfleckiger Perlmutterfalter (Boloria selene)) verwechselt werden.
Quellen für diese Seite:
Ebert, G. & E. Rennwald (Hrsg.) (1991a): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 1, Tagfalter 1. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 552 S.
Ebert, G., Hofmann, A., Meineke, J.-U., Steiner, A., R. trusch (2005): Rote Liste der Schmetterlinge (Macrolepidoptera) Baden-Württembergs (3. Fassung). In: Ebert, G. (Hrsg.): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 10, Ergänzungsband. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 110-133.
Reinhardt, R. & R. Bolz (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Tagfalter (Rhopalocera) (Lepidoptera: Papilionoidea et Hesperioidea) Deutschlands. In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands - Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). - Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3), 167-194.
Reinhardt R., Harpke A., Caspari, S., Dolek, M., Kühn, E., Musche, M., Trusch, R., Wiemers, M. & J. Settele (Hrsg.) (2020): Verbreitungsatlas der Tagfalter und Widderchen Deutschlands. - Ulmer Verlag (Stuttgart), 428 S.
Settele, J., Steiner, R., Reinhardt, R. & R. Feldmann (2005): Schmetterlinge - Die Tagfalter Deutschlands. Ulmer Verlag (Stuttgart), 256 S.
Flügeloberseite eines frisch geschlüpften Hochmoor-Perlmutterfalters (Boloria aquilonaris) im Südschwarzwald (Hinterzarten), Mai 2011.
Weiterer Hochmoor-Perlmutterfalter aus Oberschwaben (Isny), Juli 2013.
Flügelunterseite von B. aquilonaris aus dem Südschwarzwald (Hinterzarten), Mai 2011.
Der Hochmoor-Perlmutterfalter als Opfer der Krabbenspinne Misumena vatia in Oberschwaben (Immenried), Juli 2016.
Eiablage von B. aquilonaris in einem streugenutzten Zwischenmoor im württembergischen Allgäu (Isny), Juni 2016.
Jungraupe von B. aquilonaris in einem Übergangsmoor im württembergischen Allgäu (Neukirch), Mai 2019.
Weitere sich sonnende Jungraupe des Hochmoor-Perlmutterfalters in einem Übergangsmoor im württembergischen Allgäu (Neukirch), Mai 2019.
Charakteristisches Bild einer sich sonnenden Jungraupe von B. aquilonaris auf einem hellen Laubblatt im württembergischen Allgäu (Neukirch), Mai 2019.
Larvalhabitat des Hochmoor-Perlmutterfalters im württembergischen Allgäu (Neukirch); einmal jährlich streugenutztes Übergangsmoor mit Sphagnenbulten und sehr viel Moosbeere.
Blick aus dem Larvalhabitat im württembergischen Allgäu (Neukirch).
Habitat des Hochmoor-Perlmutterfalters, offenes Hochmoor im Südschwarzwald (Hinterzarten).
Auch anmoorige Streuwiesen - wie hier in Oberschwaben (Isny) - können als Entwicklungshabitat von B. aquilonaris dienen.
Weiteres streugenutztes Zwischenmoor im Allgäu (Isny) als Habitat des Hochmoor-Perlmutterfalters.
Habitat des Hochmoor-Perlmutterfalters im württembergischen Allgäu (Waldburg), ein nährstoffarmer Zwischenmoorbereich.
Entwicklungshabitat des Hochmoor-Perlmutterfalters im württembergischen Allgäu (NSG Sigrazhofer Ried); sporadisch gemähtes Zwischenmoor in der rechten Bildhälfte.
Schematische Verbreitung von B. aquilonaris in Baden-Württemberg:
Dunkelblauer Bereich: Belegte Vorkommen
Schwarze Punke: Eigene Nachweise Stand 2022
Aglais io, Aglais urticae, Nymphalis c-album, Nymphalis polychloros, Nymphalis antiopa, Araschnia levana, Vanessa atalanta, Vanessa cardui, Limenitis camilla, Limenitis populi, Limenitis reducta, Apatura iris, Apatura ilia, Argynnis paphia, Argynnis niobe, Argynnis adippe, Argynnis aglaja, Issoria lathonia, Melitaea athalia, Melitaea aurelia, Melitaea britomartis, Melitaea diamina, Melitaea phoebe, Melitaea parthenoides, Melitaea didyma, Melitaea cinxia, Boloria eunomia, Boloria selene, Boloria thore, Boloria titania, Boloria dia, Boloria aquilonaris, Boloria euphrosyne, Brenthis daphne, Brenthis ino, Euphydryas aurinia, Euphydryas maturna