Limenitis reducta (Blauschwarzer Eisvogel) (Staudinger, 1901)

Verbreitung in Deutschland: Limenitis reducta ist ausschließlich im südlichen Deutschland verbreitet. Ehemals existierten Vorkommen in Rheinland-Pfalz (Saar-Nahe-Bergland, Moseltal), Hessen, im Saarland, Bayern und Baden-Württemberg (Reinhardt et al. 2020). Aktuell ist die Art nur noch in Baden-Württemberg auf der Schwäbischen Alb anzutreffen, während sie in allen anderen Bundesländern ausgestorben ist (Settele et al. 2005). Bundesweit ist der Blauschwarze Eisvogel eine der elf Arten, die als akut vom Aussterben bedroht eingestuft werden (Reinhardt & Bolz 2011).

Verbreitung in Baden-Württemberg: Der Blauschwarze Eisvogel besaß bis vor einigen Jahren in Baden-Württemberg zwei voneinander räumlich getrennte Vorkommensschwerpunkte (Ebert & Rennwald 1991a). Am Kaiserstuhl und südlichen Oberrhein ist die Art wohl etwa seit Beginn der 1980er-Jahre nicht mehr bodenständig, allenfalls Einzelexemplare aus Populationen aus dem benachbarten Elsass werden ab und an beobachtet (Online). Deshalb existieren heutzutage nur noch Vorkommen auf der Schwäbischen Alb, die sich von der Baar- und Hegaualb bis hin zum Ostrand der mittleren Albhochfläche erstrecken. Keinesfalls jedoch ist L. reducta hier flächendeckend verbreitet, sondern auf wenige meist wohl isolierte Populationen beschränkt (Hermann 2007). Nachweise aus neuerer Zeit konzentrieren sich auf die Mittlere Schwäbische Alb und das Obere Donautal, während Belege von der Ost-, West- und Baaralb weitgehend fehlen (Hermann 2021). Das noch in Ebert & Rennwald (1991a) dokumentierte Vorkommen im NSG Schaichtal im Schönbuch ist höchstwahrscheinlich auf eine Fundortverwechselung des Belegfotos zurück zu führen. Jedenfalls bestehen im ganzen Schönbuch aktuell keinerlei geeignete Habitate für L. reducta.

Habitatansprüche: Die xerothermophile Art besiedelt in Baden-Württemberg offene Sturmwurfflächen und Kahlhiebe, lichte Steppenheide-Wälder, verbuschte Halbtrockenrasen sowie sporadisch offen gehaltene Schutthalden, Bergrutschungen oder Steinbrüche. Außerdem ist L. reducta an besonnten, strukturreichen Waldrändern anzutreffen. Schlüsselhabitate sind voll besonnte Bestände der Roten Heckenkirsche (Lonicera xylosteum), die als typisches Schlaggehölz häufig massenweise auf Kahlhieben im Juragebiet auftritt (Hermann 2021). Bevorzugt werden mittelgroße bis große, windgeschützt stehende Pflanzen, auf denen sich die Raupen meist in einer Höhe von 0,5-1,5 Meter befinden. Die Hibernacula sind dann im Winter an solchen Büschen vergleichsweise einfach zu finden und stellen die beste Methode zum Nachweis des Blauschwarzen Eisvogels dar (Hermann 2007).

Gefährdung/Schutz: RL BW: Stark gefährdet (Ebert et al. 2005). Wahrscheinlich muss auch der Blauschwarze Eisvogel bald in die Gefährdungskategorie "Vom Aussterben bedroht" eingestuft werden. Jedenfalls werden Nachweise von der Schwäbischen Alb immer spärlicher (Hermann 2021). In Zeiten der Hochwaldnutzung ("Naturnaher Waldbau") und Nutzungsaufgabe von Grenzertragsstandorten findet die anspruchsvolle Art zunehmend weniger geeignete Habitate. Da sich in Baden-Württemberg aktuell die letzten deutschen Vorkommen dieser Art befinden, besitzt das Bundesland eine besondere Verantwortung für den Schutz für L. reducta. Wenn der Blauschwarze Eisvogel auch in Zukunft als bundesdeutsches Faunenelement erhalten werden soll, müssen umfassende Maßnahmen zu seinem Schutz umgesetzt werden. Hierzu reichen kleinräumige Einzelmaßnahmen nicht aus, sondern es muss konzeptioneller gedacht werden. Die wichtigste Maßnahme ist die Etablierung eines Metapopulationsnetzes durch Schaffung eines räumlich-zeitlichen Verbunds von Offenflächen in Wäldern und waldnahen Magerrasen (Hermann 2021). Hierzu müssen wieder Kahlhiebe auf mageren Waldstandorten durchgeführt werden. Die hier in der Sukzessionsfolge aufwachsenden Heckenkirschen eignen sich dann einige Jahre zur Reproduktion bis sie von umgebenden Gehölzen wieder verschattet und überwachsen werden.

Eignung als Indikatorart: L. reducta ist ein sehr guter Indikator für xerotherme Waldlückensysteme, Steppenheide-Wälder und verbuschende Magerrasen in Waldnähe.

Bestimmung: Der Blauschwarze Eisvogel kann mit dem Kleinen Eisvogel (Limenitis camilla) verwechselt werden. Von ihm unterscheidet er sich durch die einfache Fleckenreihe auf der Hinterflügel-Unterseite und den ausgeprägten weißen Fleck an der Basis der Vorderflügel-Oberseite. Auch die Larven in den stets an voll besonnten Heckenkirschen angebrachten Hibernacula können von L. camilla unterschieden werden (Hermann 2007).

Quellen für diese Seite:

Ebert, G. & E. Rennwald (Hrsg.) (1991a): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 1, Tagfalter 1. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 552 S.

Ebert, G., Hofmann, A., Meineke, J.-U., Steiner, A., R. trusch (2005): Rote Liste der Schmetterlinge (Macrolepidoptera) Baden-Württembergs (3. Fassung). In: Ebert, G. (Hrsg.): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 10, Ergänzungsband. Ulmer-Verlag (Stuttgart), 110-133.

Hermann, G. (2007): Tagfalter suchen im Winter - Searching for Butterflies in Winter. - Books on Demand (Norderstedt), 224 S.

Hermann, G. (2021): Schaden Kahlschläge und andere "Desaster" der Biodiversität im Wald? Erkenntnisse aus umfangreichen Daten zur Tagfalter- und Widderchenfauna aus zwei Naturräumen. - Artenschutz und Biodiversität 2 (3): 1-46.

Reinhardt, R. & R. Bolz (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Tagfalter (Rhopalocera) (Lepidoptera: Papilionoidea et Hesperioidea) Deutschlands. In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands - Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). -  Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3), 167-194.

Reinhardt R., Harpke A., Caspari, S., Dolek, M., Kühn, E., Musche, M., Trusch, R., Wiemers, M. & J. Settele (Hrsg.) (2020): Verbreitungsatlas der Tagfalter und Widderchen Deutschlands. - Ulmer Verlag (Stuttgart), 428 S.

Settele, J., Steiner, R., Reinhardt, R. & R. Feldmann (2005): Schmetterlinge - Die Tagfalter Deutschlands. Ulmer Verlag (Stuttgart), 256 S.

 

Blauschwarzer Eisvogel (Limenitis reducta) am Wegesrand im Mosaik zwischen Halbtrockenrasen-Böschungen und Sturmwurfflächen auf der Schwäbischen Alb (Gammertingen), Juli 2009.

 

Flügeloberseite eines weiteren Blauschwarzen Eisvogels auf der Schwäbischen Alb (Kreenheinstetten), Juli 2013.

 

Recht abgeflogenes Weibchen des Blauschwarzen Eisvogels im Oberen Donautal (Gutenstein), Juli 2020.

 

Charakteristische Flügelunterseite von L. reducta auf der Schwäbischen Alb (Kreenheinstetten), Juli 2013.

 

Blick in ein leicht geöffnetes Hibernaculum mit überwinternder Jungraupe auf der Schwäbischen Alb (Nusplingen), Februar 2018.

 

Hibernaculum von L. reducta auf einer Sturmwurffläche auf der Schwäbischen Alb (Engstingen), März 2010.

 

Hibernaculum mit Jungraupe auf der Schwäbischen Alb (Nusplingen), Februar 2018.

 

Puppenrest des Blauschwarzen Eisvogels auf der Schwäbischen Alb (Merklingen), November 2014.

 

Im Frühjahr aktive Jungraupe des Blauschwarzen Eisvogels auf der Schwäbischen Alb (Ingstetten), Juni 2021.

 

Ruhende Larve von L. reducta im Habitat auf der Schwäbischen Alb (Ingstetten), Juni 2021.

 

Voll besonnte, mit einem Hibernaculum von L. reducta besetzte Heckenkirsche auf der Schwäbischen Alb (Nusplingen).

 

Habitat des Blauschwarzen Eisvogels und des Schwarzen Apollos auf der Schwäbischen Alb (Kreenheinstetten). Ihre Existenz haben diese beiden Arten hier vor allem dem Sturm Lothar zu verdanken.

 

Habitat des Blauschwarzen Eisvogels auf der Schwäbischen Alb (Hayingen); ein Trockental mit gut besonnten Beständen der Roten Heckenkirsche.

 

Habitat von L. reducta im Oberen Donautal (Gutenstein); steinige Schutthalde mit Übergängen zu Halbtrockenrasen.

 

Habitat auf der Schwäbischen Alb (Nusplingen); frischer Kahlhieb mit voll besonnt wachsenden Heckenkirschen.

 

Weiteres Habitat des Blauschwarzen Eisvogels auf der Schwäbischen Alb (Beuron); großflächiger Kahlhieb im Großprivatwald.

 

Schematische Verbreitung von L. reducta in Baden-Württemberg:

Dunkelblauer Bereich: Belegte Vorkommen

Grauer Bereich: Ehemalige Vorkommen (letztes Nachweisdatum)

Schwarze Punkte: Eigene Nachweise Stand 2022

Aglais io, Aglais urticae, Nymphalis c-album, Nymphalis polychloros, Nymphalis antiopa, Araschnia levana, Vanessa atalanta, Vanessa cardui, Limenitis camilla, Limenitis populi, Limenitis reducta, Apatura iris, Apatura ilia, Argynnis paphia, Argynnis niobe, Argynnis adippe, Argynnis aglaja, Issoria lathonia, Melitaea athalia, Melitaea aurelia, Melitaea britomartis, Melitaea diamina, Melitaea phoebe, Melitaea parthenoides, Melitaea didyma, Melitaea cinxia, Boloria eunomia, Boloria selene, Boloria thore, Boloria titania, Boloria dia, Boloria aquilonaris, Boloria euphrosyne, Brenthis daphne, Brenthis ino, Euphydryas aurinia, Euphydryas maturna

Übersicht