Tessellana tessellata (Braunfleckige Beißschrecke) (Charpentier, 1825)
Verbreitung in Deutschland: Tessellana tessellata ist ein atlanto-mediterranes Faunenelement, das im Südwesten Deutschlands seine nord-östliche Verbreitungsgrenze erreicht. Meldungen aus Brandenburg sind nicht plausibel (Maas et al. 2002).
Verbreitung in Baden-Württemberg: Die Braunfleckige Beißschrecke tritt in Deutschland ausschließlich in Baden-Württemberg und hier vor allem in der südlichen Oberrheinebene mit Kaiserstuhl auf. Die Fundorte beschränken sich auf wenige Stellen in einem Gebiet von Müllheim bis nach Kehl (Heitz & Hermann 1993). Zuerst nachgewiesen wurde die Art allerdings vom Kaiserstuhl, wo sie seit den 1920er-Jahren als verschollen galt. Erst in den letzten Jahren gelang hier der Wiedernachweis. Auch im angrenzenden Elsass ist T. tessellata nachgewiesen (Detzel 1998). In jüngerer Zeit wurde ein größeres, möglicherweise neu angesiedeltes Vorkommen in der nördlichen Oberrheinebene nachgewiesen (Betzin & Neugebauer 2021).
Habitatansprüche: T. tessellata besiedelt trockene, häufig etwas ruderalisierte Magerrasen mit einem Mosaik aus Offenbodenstellen und längergrasigen Bereichen. Dies können beispielsweise brachliegende Industrieflächen in der Rheinebene, Standortübungsplätze oder Flugplätze sein. Am Kaiserstuhl ist die Art außerdem von einer regelmäßig mit Rindern, Pferden, Schafen, Ziegen und Nandus beweideten Fläche nachgewiesen, die ebenfalls sowohl langgrasige Bereiche als auch lückige, kurzrasige Stellen enthält (Heitz & Hermann 1993, Detzel 1998, Maas et al. 2002). Von der Klimaerwärmung könnte T. tessellata als atlanto-mediterrane Art profitieren. Allerdings fallen gleichzeitig immer mehr Bracheflächen einer Bebauung zum Opfer.
Gefährdung/Schutz: Stark gefährdet (Detzel et al. 2022). Aufgrund der Seltenheit der Braunfleckigen Beißschrecke gilt die Art in Baden-Württemberg als stark gefährdet. Häufig bieten nur Sonderstandorte wie militärische Übungsplätze oder Flugplätze geeignete Habitatbedingungen, während großflächige Industriebrachen nur kurzzeitig zur Verfügung stehen und dann überbaut werden. Das Wiederauftreten der Art am Kaiserstuhl und der Neunachweis in der nördlichen Oberrheinebene belegen aber auch, dass T. tessellata in der Lage ist, geeignete Standorte neu zu besiedeln. Die am Kaiserstuhl (Schelinger Jungviehweide) praktizierte Beweidung scheint dieser sowie zahlreicher weiterer gefährdeter Heuschreckenarten (z. B. Rotleibiger Grashüpfer (Omocestus haemorrhoidalis), Buntbäuchiger Grashüpfer (Omocestus rufipes)) zuträglich zu sein und stellt auf Teilflächen sicherlich eine Alternative zur aktuell großflächig durchgeführten Naturschutzmahd dar. Die Herabstufung in der aktuellen Roten Liste von "Vom Aussterben bedroht" auf "Stark gefährdet" ist mehr der Bewertungsmethodik geschuldet und weniger auf eine reale Zunahme der Bestände zurückzuführen (Detzel et al. 2022).
Eignung als Indikatorart: T. tessellata ist ein sehr guter Indikator für großflächige, trockene Ruderal-Magerrasen mit einem Wechsel von langgrasigen Bereichen und Offenbodenstellen.
Bestimmung: Die Braunfleckige Beißschrecke kann mit der viel häufigeren Westlichen Beißschrecke (Platycleis albopunctata) verwechselt werden. P. albopunctata wird größer, besitzt eine weniger kontrastreiche Zeichnung auf dem Vorderflügel und einen deutlich längeren Legebohrer. Aufgrund der Seltenheit der Art sollten Nachweise unbedingt per Fotobeleg abgesichert werden.
Quellen für diese Seite:
Betzin, A. & H. Neugebauer (2021): Erste Nachweise der Braunfleckigen Beißschrecke Tessellana tessellata (Charpentier, 1825) in Nordbaden. - Carolinea 78: 29-35.
Detzel, P. (1998): Die Heuschrecken Baden-Württembergs. Eugen Ulmer (Stuttgart), 580 S.
Detzel, P.; Neugebauer, H.; Niehues, M. & P. Zimmermann (2022): Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Heuschrecken und Fangschrecken Baden-Württembergs. Stand 31.12.2019. - Naturschutz-Praxis Artenschutz 15, 179 S.
Heitz, S. & G. Hermann (1993): Wiederfund der Braunfleckigen Beißschrecke (Platycleis tessellata Charpentier 1829) in der Bundesrepublik Deutschland. - Articulata 8 (2): 55-59.
Maas, S.; Detzel, P. & A. Staudt (2002): Gefährdungsanalyse der Heuschrecken Deutschlands - Verbreitungsatlas, Gefährdungseinstufung und Schutzkonzepte. Schriftreihe des Bundesamt für Naturschutz (BfN), Bonn - Bad Godesberg, 401 S.
Sich sonnendes Weibchen der Braunfleckigen Beißschrecke (Tessellana tessellata) am Kaiserstuhl (Schelingen), September 2016.
Männchen der Braunfleckigen Beißschrecke vom Kaiserstuhl (Schelingen), September 2016.
Habitat von T. tessellata am Kaiserstuhl (Schelingen), eine mit unterschiedlichen Weidetieren bestoßene, großflächige Weide.
Schematische Verbreitung von T. tessellata in Baden-Württemberg:
Dunkelblauer Bereich: Belegte Vorkommen
Schwarze Punkte: Eigene Nachweise Stand 2020
Mantis religiosa, Polysarcus denticauda, Isophya kraussii, Leptophyes albovittata, Leptophyes punctatissima, Barbitistes serricauda, Phaneroptera falcata, Phaneroptera nana, Meconema meridionale, Meconema thalassinum, Conocephalus fuscus, Conocephalus dorsalis, Ruspolia nitidula, Tettigonia cantans, Tettigonia viridissima, Decticus verrucivorus, Platycleis albopunctata, Tessellana tessellata, Roeseliana roeselii, Bicolorana bicolor, Metrioptera brachyptera, Pholidoptera griseoaptera, Ephippiger ephippiger, Acheta domesticus, Gryllus campestris, Eumodicogryllus bordigalensis, Modicogryllus frontalis, Nemobius sylvestris, Pteronemobius heydenii, Oecanthus pellucens, Myrmecophilus acervorum, Gryllotalpa gryllotalpa, Tetrix ceperoi, Tetrix subulata, Tetrix undulata, Tetrix tenuicornis, Tetrix bipunctata, Podisma pedestris, Miramella alpina, Calliptamus italicus, Oedipoda germanica, Oedipoda caerulescens, Sphingonotus caerulans, Mecostethus parapleurus, Stethophyma grossum, Psophus stridulus, Aiolopus thalassinus, Arcyptera fusca, Chrysochraon dispar, Euthystira brachyptera, Omocestus rufipes, Omocestus viridulus, Omocestus haemorrhoidalis, Stenobothrus lineatus, Stenobothrus nigromaculatus, Stenobothrus stigmaticus, Gomphocerippus rufus, Myrmeleotettix maculatus, Stauroderus scalaris, Chorthippus apricarius, Chorthippus vagans, Chorthippus biguttulus, Chorthippus brunneus, Chorthippus mollis, Chorthippus albomarginatus, Chorthippus dorsatus, Pseudochorthippus montanus, Pseudochorthippus parallelus