Ruspolia nitidula (Schiefkopfschrecke) (Scopoli, 1786)
Verbreitung in Deutschland: Ruspolia nitidula kam in Deutschland ehemals ausschließlich am Bodensee vor (Maas et al. 2002). Die nächstgelegenen Vorkommen existierten für lange Zeit im österreichisch-bayerischen Grenzgebiet und reliktär in der Schweiz. Wahrscheinlich wirkte die Alpenkette als eine nur schwer überwindbare Barriere für die Schiefkopfschrecke. Zwischenzeitlich hat sich die Art, wahrscheinlich primär von der Burgundischen Pforte und der Oberrheinebene ausgehend, weit in Deutschland ausgebreitet und kommt mittlerweile etwa im südwestlichen Rheinland-Pfalz verbreitet vor (Paulus 2021).
Verbreitung in Baden-Württemberg: Das Vorkommen von R. nitidula in Deutschland ist seit Ende der 1950er-Jahre bekannt. Nachdem lange Zeit davon ausgegangen wurde, dass die Art im Bodenseebecken ausgestorben sei, wurde sie 2005 im NSG Eriskircher Ried wieder nachgewiesen (Detzel 1998). Hier konnte sich durch Artenschutzmaßnahmen bis heute eine recht individuenreiche Population entwickeln (Knötsch 2005). Während der letzten Jahre hat sich die Art im Bodenseeraum und im württembergischen Allgäu genauso ausgebreitet wie - ausgehend vom Elsass - am Oberrhein (Treiber 2016, Bamann 2018). 2019 tauchte die Art auch erstmals im Albvorland (Raum Tübingen) auf. Zwischenzeitlich konnte die Schiefkopfschrecke sogar mehrfach in den Höhenlagen des Nordschwarzwaldes nachgewiesen werden (Kimmich et al. 2021). Sehr wahrscheinlich sind klimatische Ursachen für diese Ausbreitung verantwortlich.
Habitatansprüche: R. nitidula war ursprünglich an Feuchtlebensräume gebunden. Hierbei spielten vor allem Pfeifengraswiesen eine wichtige Rolle, die erst spät im Jahr gemäht werden. Imagines sind auch häufiger im weiteren Umfeld der Feuchthabitate in trockeneren Streuobstwiesen zu finden. Eine Verbrachung der Habitate in Form von Hochstaudenfluren oder Seggenriedern wird nur in geringem Ausmaß toleriert (Detzel 1998, Maas et al. 2002). In jüngerer Zeit gelingen vermehrt Nachweise in mesophilen bis trockenen Lebensräumen wie Straßenböschungen oder verbrachte Trockenhänge (Treiber 2016).
Gefährdung/Schutz: Ungefährdet (Detzel et al. 2022). Die Schiefkopfschrecke benötigte in früherer Zeit neben dem Vorhandensein von mageren Feuchthabitaten in ausreichender Verknüpfung und Größe auch ein exakt auf ihre Ansprüche abgestimmtes Pflegekonzept. Hierbei spielte vor allem der späte Mahdzeitpunkt (September) eine wichtige Rolle, der es den Larvalstadien von R. nitidula ermöglichte, ihre Entwicklung abzuschließen (Knötsch 2005). Die rezente Ausbreitung der Art mindert die Gefährdung jedoch erheblich, sodass sie aktuell als ungefährdet gelten kann.
Eignung als Indikatorart: R. nitidula ist ein ausgezeichneter Indikator für großflächige, intakte und nur sehr extensiv genutzte Feuchthabitate.
Bestimmung: Die Schiefkopfschrecke kann am ehesten noch mit der Gemeinen Sichelschrecke (Phaneroptera falcata) verwechselt werden. Der schiefe Kopf ist jedoch ein eindeutiges Bestimmungsmerkmal. Arten der Gattung Conocephalus sind deutlich kleiner als R. nitidula. Der für das menschliche Ohr gut hörbare, aber unangenehme Gesang ist zum Nachweis gut geeignet, kann aber mit dem von Roesels Beißschrecke (Metrioptera roeselii) verwechselt werden.
Quellen für diese Seite:
Bamann, T. (2018): Die Heuschrecken (Orthoptera) der Niedermoore im württembergischen Allgäu. - Articulata 33: 21-46.
Detzel, P. (1998): Die Heuschrecken Baden-Württembergs. Eugen Ulmer (Stuttgart), 580 S.
Detzel, P.; Neugebauer, H.; Niehues, M. & P. Zimmermann (2022): Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Heuschrecken und Fangschrecken Baden-Württembergs. Stand 31.12.2019. - Naturschutz-Praxis Artenschutz 15, 179 S.
Kimmich, T.; Anger, F.; Brandt, D.; Zimmermann, P. & J. Buse (2021): Kommentierte Artenliste der Fang- und Heuschrecken im Gebiet des Nationalpark Schwarzwald. - Articulata 36: 43-60.
Knötsch, G. (2005): Beobachtungen zur Bestandsentwicklung, Biologie und Okologie eines neu entdeckten Vorkommens der Großen Schiefkopfschrecke Ruspolia nitidula (Scopoli, 1786) in Baden-Wiirttemberg. - Articulata 20 (2): 113-116.
Maas, S.; Detzel, P. & A. Staudt (2002): Gefährdungsanalyse der Heuschrecken Deutschlands - Verbreitungsatlas, Gefährdungseinstufung und Schutzkonzepte. Schriftreihe des Bundesamt für Naturschutz (BfN), Bonn - Bad Godesberg, 401 S.
Paulus, C. (2021): Ausbreitung der Großen Schiefkopfschrecke (Ruspolia nitidula, Scopoli 1786) im südwestlichen Rheinland-Pfalz. - Articulata 36: 31-42.
Treiber, R. (2016): Klimabedingte Ausbreitung der Großen Schiefkopfschrecke in Baden-Württemberg. - Naturschutz und Landschaftspflege Baden-Württemberg 78: 308-323.
Weibchen der Schiefkopfschrecke (Ruspolia nitidula) in Oberschwaben (Tettnang), August 2013.
Weiteres Weibchen von R. nitidula in Oberschwaben (Tettnang), August 2013.
Bodenseenahe Streuwiese, Habitat der Schiefkopfschrecke.
Weiteres Habitat in Oberschwaben (Tettnang); ein Hangquellmoor mit angrenzender Streuwiese.
2019 konnte die Schiefkopfschrecke auch im Albvorland (Tübingen) in Trockenlebensräumen mit versaumten Hängen nachgewiesen werden.
Schematische Verbreitung von R. nitidula in Baden-Württemberg:
Dunkelblauer Bereich: Belegte Vorkommen
Schwarze Punkte: Eigene Nachweise Stand 2020
Mantis religiosa, Polysarcus denticauda, Isophya kraussii, Leptophyes albovittata, Leptophyes punctatissima, Barbitistes serricauda, Phaneroptera falcata, Phaneroptera nana, Meconema meridionale, Meconema thalassinum, Conocephalus fuscus, Conocephalus dorsalis, Ruspolia nitidula, Tettigonia cantans, Tettigonia viridissima, Decticus verrucivorus, Platycleis albopunctata, Tessellana tessellata, Roeseliana roeselii, Bicolorana bicolor, Metrioptera brachyptera, Pholidoptera griseoaptera, Ephippiger ephippiger, Acheta domesticus, Gryllus campestris, Eumodicogryllus bordigalensis, Modicogryllus frontalis, Nemobius sylvestris, Pteronemobius heydenii, Oecanthus pellucens, Myrmecophilus acervorum, Gryllotalpa gryllotalpa, Tetrix ceperoi, Tetrix subulata, Tetrix undulata, Tetrix tenuicornis, Tetrix bipunctata, Podisma pedestris, Miramella alpina, Calliptamus italicus, Oedipoda germanica, Oedipoda caerulescens, Sphingonotus caerulans, Mecostethus parapleurus, Stethophyma grossum, Psophus stridulus, Aiolopus thalassinus, Arcyptera fusca, Chrysochraon dispar, Euthystira brachyptera, Omocestus rufipes, Omocestus viridulus, Omocestus haemorrhoidalis, Stenobothrus lineatus, Stenobothrus nigromaculatus, Stenobothrus stigmaticus, Gomphocerippus rufus, Myrmeleotettix maculatus, Stauroderus scalaris, Chorthippus apricarius, Chorthippus vagans, Chorthippus biguttulus, Chorthippus brunneus, Chorthippus mollis, Chorthippus albomarginatus, Chorthippus dorsatus, Pseudochorthippus montanus, Pseudochorthippus parallelus